Wer schwitzt für die Profite? Bauarbeiter*innen zahlen den Preis der Klimakrise

Okt. 14, 2025 | Info-Beitrag

Die zunehmenden Hitzewellen treffen nicht alle gleich. In der Baubranche zeigt sich besonders deutlich, wer die Last der Klimakrise trägt – und wie wir eine gerechtere Zukunft erkämpfen können.

Die Schweiz und grosse Teile Europas wurden in den letzten Monaten von intensiven Hitzewellen heimgesucht. Solche Perioden werden durch die fortschreitende globale Erwärmung deutlich zunehmen. Für die Schweiz prognostiziert der Bund bis Mitte des Jahrhunderts eine Verdoppelung oder gar Verdreifachung der Hitzetage1

Doch die Hitze trifft nicht alle gleich – sie verschärft vor allem bestehende Ungleichheiten. Ältere Menschen, Bewohner*innen dicht besiedelter Städte oder Arbeiter*innen im Freien sind besonders betroffen. Ob man vulnerabel ist oder sich gut schützen kann, ist weniger eine Folge persönlicher Entscheidungen, sondern hängt von gesellschaftlichen Machtverhältnissen ab: Wer kann sich kühlen Wohnraum leisten? Wer entscheidet, ob die Arbeit trotz gefährlicher Hitze weitergeht? Die Klimakrise ist daher vor allem eine soziale Frage. 

Die Arbeiter*innen der Baubranche gehören zu denen, die schon heute direkt unter den Extrembedingungen leiden. Um die Gesundheit der Arbeiter*innen zu schützen und die weitere Zunahme von Hitzewellen zu verhindern, müssen die Arbeitsbedingungen verbessert und die Mitbestimmungsrechte der Beschäftigten gestärkt werden. Diese Möglichkeit bietet sich momentan in der Neuverhandlung des Landesmantelvertrages (LMV) zwischen dem Schweizerischen Baumeisterverband (SBV) und den Gewerkschaften Unia und Syna. Der LMV regelt Mindestlöhne, Ferien, Arbeitszeiten oder die Frühpensionierung von über 80’000 Beschäftigten. Er gilt zusätzlich als Leitvertrag für die Arbeitsverträge von weiteren 200’000 Beschäftigten in Handwerksberufen. Nachdem Anfang Juni die erste Verhandlungsrunde stattfand, spitzen sich die Verhandlungen nun im Herbst zu.

Arbeit am Limit: Alltag auf dem Bau

Bauarbeiter*innen legen das Fundament für unser tägliches Leben. Sie errichten Wohnhäuser, öffentliche und industrielle Gebäude, Strassen und Brücken. Eine wertvolle Tätigkeit, die oft auch gerne ausgeübt wird. Doch kaum eine Branche ist mit so harten Arbeitsbedingungen verbunden.

Auch mit einem hohen Mechanisierungsgrad heben und tragen Bauarbeiter*innen täglich immense Lasten. Die Folge: Rückenbeschwerden und kaputte Gelenke. Dazu kommen weitere Risiken wie Hörschäden (durch Maschinenlärm), Atemwegserkrankungen (durch Abgase und Staubbelastungen) und eine sehr hohe Rate von Arbeitsunfällen (ca. 50’000 pro Jahr, SUVA).

Die Arbeit im Freien setzt Bauarbeiter*innen der Hitze und Kälte aus. Strenge körperliche Arbeit, dazu Abwärme von Maschinen oder Material – eine bei Extremtemperaturen enorm anstrengende und gefährliche Kombination, auch weil Erschöpfung und nachlassende Konzentration das Unfallrisiko deutlich erhöhen.

Zusätzlich berichten Bauarbeiter*innen heute sehr deutlich von zunehmendem Zeitdruck und Stress. Die Unternehmen würden immer enger getaktete Zeitpläne erstellen, um ihre Kosten zu drücken. Eine unerwartete Verzögerung auf der Baustelle führe dann ohne Zeitreserve dazu, dass in einem sehr hohen Tempo gearbeitet werden müsse oder Poliere ihre Mitarbeiter*innen zu spontanen Überstunden verpflichten würden. Dabei sind die Arbeitstage auf dem Bau bereits lang und umfassen oft noch zusätzliche (unbezahlte) Reisezeiten, Wochenend- und Schichtarbeit.

Wer zahlt den Preis für die Klimakrise?

Die Arbeiten auf dem Bau hängen vom Wetter ab: Bei Regen muss frischer Beton geschützt werden. Arbeiten auf Dächern oder an Fassaden sind bei Regen, Wind oder Eis besonders gefährlich; Temperaturen um den Gefrierpunkt erschweren die Arbeit so stark (Mörtel gefriert, Maschinen streiken und die Baustelle wird glatt), dass Bauarbeiter*innen Überstunden abbauen müssen oder über längere Zeiträume unbeschäftigt sind. Umgekehrt müssen die Arbeiten im Sommer aufgrund der Hitze und starker Sonnenstrahlung in die frühen Morgenstunden verlegt werden.

Häufigeres Extremwetter führt im Baugewerbe bereits heute messbar zu mehr Verzögerungen und weniger Planbarkeit. Damit entstehen Mehrkosten, die niemand tragen will. Im Konflikt um den neuen LMV geht es deshalb auch darum, wer für den Klimawandel bezahlt – die Unternehmen und Bauherr*innen oder die Bauarbeiter*innen.  

So fordert der Baumeisterverband im Rahmen der LMV-Verhandlungen immer wieder verschiedene Formen der Flexibilisierung von Arbeitszeiten, beispielsweise längere Arbeitstage oder den Samstag als “normalen” Arbeitstag. Schon in den Verhandlungen im Jahr 2022 hat er auf eine Deregulierung der Arbeitsplanung bei Hitze- oder Niederschlagsereignissen gedrängt. Diese Flexibilisierung der Arbeit auf Kosten der Beschäftigten bedeutet neben möglichen Lohnausfällen auch weniger Zeit für Freund*innen und Familien und weniger Planbarkeit des Alltags.

Keine Abwälzung der Last der Klimakrise auf die Bauarbeiter*innen

Die Unternehmen dürfen die Last der Klimakrise nicht auf die Arbeiter*innen abwälzen! Stattdessen kann eine sozial und ökologisch gerechtere Wirtschaft gerade durch die Bauarbeiter*innen und Handwerker*innen beginnen. Sie sind in der Lage, sie zu erschaffen und auch zu erkämpfen. Deshalb unterstützen wir die gewerkschaftlichen Forderungen in den aktuellen LMV-Verhandlungen:

  • Faire Entlöhnung: Abschaffung der unbezahlten Reisezeiten, eine Lohnerhöhung und ein automatischer Teuerungsausgleich
  • Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich – für die Gesundheit und als effektive klimapolitische Massnahme
  • Ausgebauter Gesundheitsschutz – statt gefährlicher Arbeit unter Extrembedingungen

Wir brauchen einen Bausektor, der für uns alle baut. Sozial, nachhaltig und ökologisch sinnvoll und nicht für die Profite!

Bauen für Profite – statt für Menschen und Klima

Kaum eine Branche belastet das Klima so stark wie die Bauindustrie. Sie verbraucht Ressourcen in gigantischem Ausmass, versiegelt immer mehr Boden und verursacht enorme Mengen an Abfall und CO₂.

  • Im Jahr 2010 gingen 32 % des weltweiten Endenergieverbrauchs und 19 % der Treibhausgasemissionen auf Gebäude zurück.2 In der Schweiz verursacht der Gebäudesektor rund einen Viertel der Treibhausgas-Inlandsemissionen.3 Das hat viel mit der vorherrschenden unökologischen Bauweise zu tun.
  • Knapp zwei Drittel des gesamten Abfallaufkommens in der Schweiz stammen von Aushub- und Ausbruchmaterial, ein weiteres Fünftel vom Rückbau von Strassen und Gebäuden.4

Statt ökologisch sinnvoll zu renovieren und bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, wird in der Schweiz zu oft abgerissen und neu gebaut, weil es kurzfristig höhere Profite bringt.

Dabei bestimmen Unternehmen und der Finanzmarkt, was gebaut wird – und wie. Die steigende Wohnungsnot wird instrumentalisiert, um Deregulierungen zu fordern und noch mehr profitable Neubauprojekte mit überteuerten Mieten zu bauen. So fordert der Schweizerische Baumeisterverband (SBV) etwa deregulierende “Anpassungen bei den Wettbewerbsbehörden, bei den raumplanerischen Grundlagen und den Bewilligungsverfahren für Bauprojekte”, um die “Resilienz der Baubranche in Krisenzeit” zu stärken.

Wenn der SBV von Krisenzeiten spricht, meint er aber nicht die Klimakrise und ihre zerstörerische Wirkung auf Gesellschaft und Natur. Es geht ihm auch nicht um die Gesundheit der Beschäftigten, sondern um die Sicherung der Gewinne der Bauunternehmen und Bauherr*innen.

Die Arbeit auf dem Bau und unsere Zukunft auf dem Planeten

Dasselbe profitorientierte System, unter dem die Bauarbeiter*innen schlecht bezahlt werden und unter dem ihre Gesundheit leidet, ist dafür verantwortlich, dass weiterhin umweltschädlich gebaut wird. Darum sind die Arbeit der Bauarbeiter*innen und unsere Zukunft auf diesem Planeten direkt miteinander verknüpft.

Die Arbeiter*innen auf dem Bau müssen zu besseren Bedingungen in einem ökologischeren und sinnvoll handelnden Bausektor arbeiten können. Dazu muss dieser stärker der demokratischen Kontrolle der Gesellschaft und den Bauarbeiter*innen selbst unterstellt werden.

Wenn wir streiken, steht alles still

Die anstehenden LMV-Verhandlungen sind mehr als ein Branchenthema. Sie zeigen, dass man den drohenden Hitzewellen nicht einfach ausgeliefert ist. Der Schutz vor der Hitze bei der Arbeit muss aber ebenso erkämpft werden wie eine ökologische Bauweise. Wenn soziale Kämpfe und die ökologische Transformation zusammen gedacht werden, können Lösungen für die Krisen unserer Zeit gefunden werden.

Gerechte Veränderungen für eine lebenswerte Zukunft brauchen aber nicht nur gute Ideen, sondern reale Macht. Arbeiter*innen können die Arbeit niederlegen, Infrastruktur blockieren und Wandel erzwingen. Sie haben das praktische Wissen und die Kraft, ihre Forderungen auch durchzusetzen.

Wenn die Politik versagt, braucht es Bewegung – von unten, organisiert und streikfähig. Bauarbeiter*innen haben unsere Solidarität! Wenn sie streiken, stehen wir an ihrer Seite.

  1. https://www.nccs.admin.ch/nccs/de/home/klimawandel-und-auswirkungen/schweizer-klimaszenarien/kernaussagen/mehr-hitzetage.html ↩︎
  2. https://www.cisl.cam.ac.uk/system/files/documents/IPCC_AR5__Implications_for_Buildings__Briefing__WEB_EN.pdf
    ↩︎
  3. https://www.bafu.admin.ch/bafu/de/home/themen/klima/inkuerze.html ↩︎
  4. https://www.bafu.admin.ch/bafu/de/home/themen/abfall/inkuerze.html
    ↩︎